Licht ist das wertvollste Gut beim Fotografieren. Neben der goldenen und blauen Stunde bieten Städte – speziell nach Sonnenuntergang – eine besondere Art von Licht. Das künstliche Licht von Straßenlaternen, Gebäudebeleuchtungen und auch der Mond zeigen dann Details, die am Tag unsichtbar sind und Motive, die vorher nicht da waren. Es entsteht somit oft eine ganz andere Stimmung, die du mit den richtigen Kameraeinstellungen wunderschön einfangen kannst.
Zusätzlich bieten sich einem Gestaltungsmöglichkeiten, die man oft am Tag gar nicht oder nur mit teurem Fotoequipment aufnehmen kann. Kurz gesagt, „Nachtaufnahmen machen richtig Spaß!“
Im folgenden Beitrag zeige ich dir, wie du selbst ganz einfach Nachtaufnahmen machen kannst und was du dabei auf deiner Kamera einstellen musst. Alle Fotos sind mit einer Fujifilm X-T2 und einem Stativ entstanden. Die genaue Ausrüstungsliste findest du am Ende des Beitrags. Gleichzeitig bekommst du hier Location-Tipps für Nachtfotografie in Prag. Unter den Fotos siehst du, welche Kamera-Einstellungen wir benützt haben.
Die Herausforderungen bei Nachtaufnahmen
Da dir bei Nachtaufnahmen nur wenig Licht zur Verfügung steht, mußt du entweder längere Belichtungszeiten wählen oder mit höherer ISO arbeiten. Höhere ISO führen zu schlechterer Bildqualität deshalb brauchst du längere Belichtungszeiten, damit die Fotos nicht zu dunkel werden. Wir sprechen hier von mehreren Sekunden. Ich selbst kann bis minimal 1/60 Sekunde verwacklungsfreie Aufnahmen machen, deshalb muss ich bei längeren Belichtungszeiten, die Kamera irgendwie stabilisieren. Meistens nehme ich dazu ein Stativ. Wenn du kein Stativ bei der Hand hast, dann suchst du dir eine stabile Auflage (Geländerpfeiler,…) wo du deine Kamera auflegen kannst. Somit sind dann längere Belichtungszeiten auch kein Problem. Das Stativ hat halt den Vorteil, dass du deine Kamera besser auf dein Motiv ausrichten kannst.
Die längeren Belichtungszeiten führen dann dazu, dass alles was sich bewegt verwischt (unscharf) dargestellt wird. Damit werden vorbeifahrende Autos zu Lichterspuren und sich bewegende Menschen zu Geistergestalten oder verschwinden gänzlich.
Hier eine Schritt für Schritt Anleitung, wie wir Nachtaufnahmen fotografieren:
Unsere Vorgehensweise bei Nachtaufnahmen
- Die Kamera auf ein stabiles Stativ montieren. (Mehr Info: Warum du ein Stativ verwenden solltest)
- Bildstabilisierung des Objektivs deaktivieren (auch VR für Vibration Reduction & Co. genannt)
- Motiv suchen und Ausschnitt wählen (Tipps, wie du Motive toll in Szene setzt)
- Niedrigste ISO Zahl wählen, z.B. 100 (Wie du die ISO richtig einstellst)
- Eine geeignete Blende für dein Motiv wählen
- Da wenig Lacht da ist wirst du eine längere Verschlusszeit benötigen, z.B. 15-30 Sekunden.
Sekunden werden mit “ angezeigt, z.B. 15″ - Selbstauslöser auf 2 Sekunden einstellen (bei Spiegelreflexkameras, falls vorhanden, die Spiegelvorauslösung einschalten -> Fuji X-T2 hat keinen Spiegel, somit kann man sich das sparen)
- Testaufnahme machen, das Histogramm kontrollieren, ob es links und rechts nicht ansteht. Falls notwendig, die Belichtungszeit anpassen und eine Aufnahme machen.
Location-Tipps für Nachtfotografie in Prag
Die folgenden Nachtfotos sind in Prag entstanden. Unter jeder Aufnahme findest du Infos rund um das jeweilige Foto & die verwendeten Gestaltungsmerkmale. Du musst aber nicht unbedingt nach Prag fahren, sondern kannst viele der Dinge auch bei dir zu Hause umsetzen.
1. Station: Nachtaufnahmen der Karlsbrücke vom Brückenturm
Es gibt einen großen und einen kleinen Turm bei der Karlsbrücke. Man kommt auf diese relativ unkompliziert rauf und hat von dort oben einen tollen Blick über die Karlsbrücke. Natürlich muss man Eintritt zahlen, der sich aber in Grenzen hält. Das Fotografieren am kleineren Turm war um etliches entspannter, als auf dem höheren Turm, weil viel weniger Leute dort waren und sich auch niemand aufgeregt hat, dass wir ein Stativ verwendet haben. Dort ist dieses Foto entstanden:
Aufnahme-Tipps:
Bewegung – Die Karlsbrücke ist am Abend voll gesteckt mit hunderten Personen und die Brücke brummt förmlich mit Bewegung. Durch die Langzeitbelichtung werden nur die Menschen abgebildet, die entweder über längere Zeit ruhig stehen bleiben oder durch einen zusätzlichen Blitz aufgehellt wurden.
Verwacklungen – Man sollte bei einer Langzeitaufnahme aufpassen, dass man niemand am Stativ anstößt, da sonst alles verwackelt ist.
Überbelichtungen – Bei jedem Foto kontrollieren, welche Bereiche ausreißen, das heißt überbelichtet sind (= keine Zeichnung mehr haben). Dies kann man mit Hilfe von Histogramm & Lichterwarnung sehr gut beurteilen. Das Histogramm sollte weder rechts oder links anstehen oder wenn doch, nur minimal.
Im Foto oben dürfen die Lampen ausreissen, aber die beleuchten Häuser sollten korrekt belichtet sein. Falls es hier Probleme gibt, eine kürze Belichtungszeit wählen.
Für Fortgeschrittene: Man könnte mehrere Aufnahmen mit unterschiedlichen Belichtungen machen und diese als sogenanntes HDR zusammenrechnen.
Lichtquellen, die blenden – Immer darauf achten, dass keine Lichtquellen direkt auf die Objektivlinse scheinen, da sonst Staubflecken & Co. in großem Ausmaß auf dem Foto zu sehen sind.
Bei DSLRs (= digitalen Spiegelreflexkameras) – das Okular, wo man normalweise durchschaut, abdecken, damit kein Licht von hinten auf den Sensor fallen kann. Wenn dein Okular einen Verschluß hat, dann mach ihn einfach zu. Ansonsten kannst du das Okular mit der Hand oder einem Stück Papier abdecken.
Verwendete Gestaltungsmerkmale
- Hell-Dunkel Kontrast – Lichter und dunkle Flächen des Wassers, der Dächer und des Himmels
- Warm-Kalt Kontrast – Die gelben Lichter sind warm, der blaue Himmel ist kalt
- Niedriger Horizont – ein wolkenloser Himmel ist nicht sehr spannend, deshalb nur so viel Himmel wie nötig auf’s Bild nehmen
- Dezentrale Positionierung: Die Brücke wurde aus der Mitte gerückt und bringt so Spannung ins Bild
- Die Laternen der Brücke bilden eine Linie, die die beleuchteten Gebäude verbindet
- Die verschwommene Bewegung erzeugt Linien, Dynamik & Spannung
2. Station: Nachtaufnahmen 100 Meter abseits der Karlsbrücke
Um den Massen auf der Karlsbrücke zu entgehen, braucht man eigentlich nur ein Stück an den Ufern der Moldau entlang gehen und schon entspannt sich die Lage. Man ist zwar nicht alleine, kann aber in Ruhe sein Stativ aufbauen.
Aufnahme-Tipps:
Bewegung – Auf diesem Foto kann man zwar keine Bewegung der Menschen auf der Brücke erkennen, aber das vorbeifahrende Schiff übernimmt deren Aufgabe.
Spiegelungen – Wir mussten unseren Standpunkt richtig wählen, um Teile der Spiegelung des Hradschins (die Prager Burg) am Foto zu haben.
Störende Elemente – Am Foto nicht zu sehen, aber trotzdem da. Rechts gab es ein Lokal mit störender Beleuchtung , die den Blick zu sehr vom Hauptmotiv abgelenkt hätte.
Andersfarbige Lichtquelle – Die Straßen- und Gebäudebeleuchtung erstrahlt in einem warmen Gelb-Ton, deshalb haben wir uns über den Farbtupfer des violett beleuchteten Schiffes als Kontrast gefreut.
Timing – Da wir unbedingt eines der Schiffe drauf haben wollten, muss man bei 30 Sekunden Belichtungszeit genau überlegen, wann man den Auslöser drückt. Tipp: Einfach Zeit nehmen und mehrere Aufnahmen machen.
Verwendete Gestaltungsmerkmale
- Hell-Dunkel Kontrast – Helle Lichter und dunkle Flächen des Wassers
- Warm-Kalt Kontrast – Das gelbe Licht ist warm, der blaue Himmel ist kalt
- Etwas höherer Horizont als beim vorigen Bild, da Wolken vorhanden sind
- Dynamische Linie von links unten nach rechts oben, die zum Hauptmotiv führt
- Spiegelungen im Wasser machen das Bild interessanter
- Dezentrale Position des Hauptmotivs und Anwendung der Drittel-Regel
- Bewegung & Farbe – das verschwommene Schiff bringt Bewegung und einen Farbkontrast ins Bild
3. Station: Nachtaufnahmen vom tanzenden Haus
Geht man von der 2. Station einige hundert Meter weiter, kommt man zu einem weiteren Klassiker Prags. Ein viel fotografiertes Gebäude, das einen in der Nacht noch mehr verzaubert als am Tag. Hier unsere Aufnahme vom tanzenden Haus:
Aufnahme-Tipps:
Bewegung – Hier spielen natürlich die Autos und die Straßenbahn eine große Rolle, denn die bringen Bewegung ins Bild.
Platz zum Fotografieren – Das Foto ist direkt vor der Straße auf einer kleinen Fußgänger-Insel entstanden und wir mussten uns schon richtig positionieren, damit wir unser Stativ vor Rempeleien schützen konnten. Ab und zu haben sich einige Touristen auch direkt vor unsere Linse verirrt. Diese waren aber dann doch nicht so ausdauernd wie wir ;-)
Andersfarbige Lichtquelle – Das tanzende Haus bietet selbst etliche Farbnuancen, die uns gefallen haben. Spannend am rechten unteren Rand, die gestrichelte rote Linie: Das war ein Radfahrer mit blinkendem Rücklicht.
Timing – Ampelphasen & unregelmäßig fahrende Straßenbahnen sind gar nicht so leicht zu kalkulieren. Deshalb immer etwas geduldig sein und unterschiedliche Aufnahmen machen. Spiel‘ dich einfach mit der Belichtungszeit schau‘, wann die schönsten Wischeffekte herauskommen.
Verwendete Gestaltungsmerkmale
- Hell-Dunkel Kontrast – Lichter und dunkle Flächen des HImmels
- Warm-Kalt Kontrast – Licht ist warm, der Himmel ist kalt
- Bunt-Unbunt Kontrast – Farben des Gebäudes & der roten Rücklichter zum schwarzen Himmel
- Linien, die durch die Rücklichter des Verkehrs entstehen
- Dezentrale Position des Hauptmotivs – Anwendung der Drittel-Regel
- Bewegung & Farbe – die verschwommene Straßenbahn, die Autos & der Radfahrer
Nachtaufnahmen mit über 30 Sekunden Belichtungszeit
Die maximale Belichtungszeit bei den Aufnahmen oben betrug 30 Sekunden. Wenn du länger als 30 Sekunden belichten möchtest, musst du deine Kamera auf Bulb stellen. Bulb erscheint automatisch, wenn du die Belichtungszeit länger als 30 Sekunden einstellen möchtest. Du brauchst dann entweder einen zusätzlichen Kabel- oder Funkauslöser, wo du selbst steuern kannst, wann die Aufnahme startet und wann sie wieder beendet wird. Kameras wie die Fujifilm X-T2 können auch über eine App gesteuert werden, die die Funktion des Kabel- oder Funkauslösers übernehmen. Das Gleiche gilt auch für Langzeitbelichtungen, die du untertags machst.
Unsere Ausrüstungsliste für Nachtaufnahmen
Für die obigen Fotos hatten wir Folgendes dabei:
- Fujifilm X-T2* + Fujinon XF 18-135mm* Objektiv
- Manfrotto MT055CXPRO4 055 Carbon Stativ* mit einem Manfrotto Kugelkopf*
- Wenn wir die Langzeitbelichtungen mit unseren Nikons machen, dann haben wir meistens noch einen simplen Kabelauslöser* (Anschluss auf der Kamera beachten) oder den Miops Smart dabei.
- Smartphone oder Uhr zum Zeit stoppen
Wir hoffen, unser Beitrag hat dir gefallen und du probierst das Thema Nachtaufnahmen selber einmal aus. Schreib´uns doch einfach im Kommentarfeld, wie es dir ergangen ist oder, wenn du Fragen hast.
Wenn du gerne in Städten fotografierst, dann können wir dir auch London, Budapest und Kopenhagen empfehlen. Hier findest du unsere Tipps dazu:
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