Vor einiger Zeit bin ich auf die wunderschöne Landart von Lucia Pec gestoßen. Ich finde solche Naturkunstwerke lassen sich optimal mit meinem Ansatz der Slow & Simple Fotografie verbinden, um in der Natur zur Ruhe zur kommen, die eigene Kreativität auszuleben und Kraft zu tanken.
Deshalb habe ich Luci kontaktiert und gefragt, ob sie Lust hat in einem Interview Tipps zu verraten, wie sie ihre Landart gestaltet und fotografiert. Ich freue mich sehr, dass sie Ja gesagt hat!
Karin: Liebe Luci, wie schön, dass du bei uns zu Gast bist. Bitte stelle dich kurz vor und erzähle, was du machst.
Luci: Ich bin seit 51 Jahren auf diesem schönen Planeten und lebe mit meinem Mann und unserer Hündin abwechselnd im tschechischen Böhmerwald und an der Costa Vicentina im Südwesten Portugals. Ich liebe es über alles, draußen in der Natur zu sein, einfach umher zu streifen, zu beobachten, zu fotografieren und mit der Natur zu kreieren.
Vor langer Zeit habe ich Biologie in Hamburg studiert. Dann sind wir vor fast 20 Jahren in den Böhmerwald gezogen. Wir wollten einfach in der Natur leben. Hier war ich sehr lange als Waldführerin und achtsame Naturbegleiterin tätig, habe Erwachsene und Schulkinder durch die Natur begleitet und eigene Programme und Reisen entwickelt. Seit ein paar Jahren liegt mein Schwerpunkt auf meiner Kreativität und darüber bin ich sehr glücklich. Bevor ich kreiere, tanze ich ab und an gerne in der Natur und tauche danach in einen unserer eiskalten Flüsse.
Was ist Landart?
Karin: Du gestaltest sogenannte Landart. Kannst du erklären, was das ist und wie du dazu gekommen bist?
Luci: Landart, auch Earthart genannt, sind vergängliche Kunstwerke aus Naturmaterialien, die in der Natur entstehen und dort auch bleiben. Die Materialien finde ich quasi immer dort, wo ich kreiere. Der Ort und die Elemente, wie Wind, Regen, Licht und Untergrund, kreieren dabei mit. Es ist ein Prozess in tiefer Verbundenheit mit unserer Mutter Erde.
Ich war schon als Kind sehr gerne kreativ, habe das aber in der Pubertät und jungem Erwachsenenalter aus den Augen verloren. Vor ca. 20 Jahren kam es dann zurück. Zunächst habe ich aus Plastikmüll, den ich in Portugal am Strand gefunden habe, bunte Kunstwerke vor Ort kreiert, unter anderem auch, um auf das Problem von Plastik in unseren Meeren aufmerksam zu machen. Ab und zu habe ich auch mit Naturmaterialien gestaltet und das wurde dann über die Jahre immer mehr. Heute erschaffe ich vielleicht noch ein oder zwei Plastik Kunstwerke pro Jahr, alle anderen sind Kreationen aus Naturmaterialien. Besonders inspiriert und motiviert hat mich die wunderschöne Kunst von Andy Goldsworthy.
Worauf sollte man achten?
Karin: Was sollte man beim Gestalten von Landart in der Natur beachten?
Luci: Beim Gestalten mit Naturmaterialien in der Natur ist es für mich sehr wichtig, dass ich sehr achtsam und vorsichtig bin, und genau schaue, dass ich möglichst keinen Schaden anrichte. Ein jedes Ding hat seinen Platz in der Natur, und wenn ich diese Dinge bewege, ist es wichtig für mich, dass sie bereits so frei und lose wie möglich sind. Unter Blättern leben z.B. Schnecken, unter alten Zapfen wachsen Pilze, wohnen Spinnen und Käfer. Ich bin sehr vorsichtig bei jedem Teil, das ich aufhebe und bewege. Nur in Ausnahmefällen pflücke ich etwas von einer Pflanze ab oder schneide Pilze ab. Wenn ich das tue, dann verständige ich mich vorher mit der Pflanze oder dem Pilz darüber.
Was braucht man für Landart?
Meistens verwende ich Blätter, Stöckchen, Zapfen oder Steine, die bereits lose auf dem Boden liegen. Ich achte dabei auch darauf, dass sie noch nicht zu lange dort liegen und schon mit dem Boden durch Pilze oder Moos verwoben sind. Am Strand kreiere ich immer nur mit Steinen aus der Gezeitenzone, die von Ebbe und Flut zweimal am Tag stärker hin und her bewegt werden, als ich es jemals könnte.
Wenn ich auf dem Boden gestalte, suche ich nach einem Platz, der schon von Natur aus möglichst frei und glatt ist. Ich vermeide es, den Boden zu stark von Laub und Streu zu säubern, da ich dabei unzählige Mikroorganismen ihres Zuhauses berauben würde. Über die Jahre bin ich immer vorsichtiger und sensibler geworden in Bezug auf wo und wie ich kreiere und das fühlt sich sehr schön an.
Wie macht man Landart?
Karin: Welche Tipps kannst du unseren LeserInnen geben, um selbst Landart zu gestalten?
Luci: Ich kann jedem Menschen von Herzen empfehlen, es einmal auszuprobieren und mit Naturmaterialien etwas zu gestalten. Das Wichtigste dabei ist, dass wir uns von Erwartungen an uns selbst, Vergleichen mit anderen und Bewertungen durch uns selbst oder von anderen völlig lösen. Am besten ist es, das ganze sehr spielerisch und ergebnisoffen anzugehen, wie Kinder. Denn das ist es, ein kreatives Spielen und Probieren, Erfahren und Lernen.
Ich finde es am schönsten, kein bestimmtes Ergebnis vor Augen zu haben, sondern den kreativen Prozess fließen zu lassen und zu schauen, wohin er führt. Ich streife vor dem Kreieren am liebsten frei und ohne Zeitdruck durch die Natur, beobachte, fühle und warte bis mich ein Material, ein Ort anspricht. Dann sammle ich Material und finde den Platz fürs Gestalten und dann fange ich einfach an, ohne zu denken. So entstehen die überraschendsten Dinge.
Wie gelingen Landart Kunstwerke aus Schnee?
Karin: Du gestaltest Naturkunstwerke mit verschiedensten Materialien von Sand über Steine, Blätter, Muscheln, Pilze, Holz und sogar Schnee. Am Herausforderndsten stelle ich mir das Gestalten mit Schnee vor. Welcher Schnee eignet sich dafür und wie schaffst du es, dass deine Kunstwerke frei stehen?
Luci: Schnee ist ein magisches Material und jeden Winter lerne ich mehr darüber. In der Tat ist Schnee immer wieder anders und verändert sich ständig. Die Lufttemperatur hat natürlich Einfluss, auch ob die Sonne darauf scheint, wie lange der Schnee schon liegt und was in der Zeit passiert ist. Ist er schon einmal angeschmolzen und dann wieder gefroren, bildet sich auf der Oberfläche eine Kruste. Hat es auf den Schnee geregnet und dann gleich gefroren, liegt eine dünne Eisschicht auf dem Schnee. Ist es zu kalt, klebt der Schnee nicht. Ist es zu warm, dann bildet er große Kristalle beim Schmelzen und klebt auch nicht mehr.
Ich habe gelernt, mich dem Schnee anzupassen und zu schauen, was an dem Tag und Ort gerade möglich ist. So entstehen manchmal Kunstwerke aus der dünnen Eisschicht oder der dickeren Schneekruste (diese Werke kann ich dann aufrichten, so dass sie frei stehen), ein anderes Mal klebt er so gut, dass ich ihn auftürmen kann, um dann etwas daraus zu schnitzen, wie eine Bildhauerin. Oder er klebt gerade ideal, um ihn an die Rinde eines Baumes zu heften und dort ein Muster entstehen zu lassen. Faszinierend ist auch die Auswirkung auf die Hände, wenn ich mit Schnee arbeite. Sie werden natürlich zunächst eiskalt, aber nach einer Weile setzt eine starke Durchblutung ein und sie werden richtig warm.
Gestaltungsideen für Landart
Karin: Ich erlebe es bei unseren Kursen und Workshops immer wieder, dass TeilnehmerInnen an ihrer Kreativität zweifeln und sich schwertun, ohne eine konkrete Vorlage etwas zu gestalten. Hast du eine Anregung, wie man leichter auf Gestaltungsideen für Landart kommen kann?
Luci: Zunächst einmal ist es wichtig zu verstehen, dass das Universum und die Natur unendlich kreativ sind, und wir als Teil davon sind es ebenso. Wenn ich keine Idee habe, bzw. keine Idee entstehen mag, finde ich persönlich es hilfreich, zunächst ein Material zu finden, dass mich irgendwie anspricht und dieses zu sammeln. Wenn ich einiges davon zusammen habe, wähle ich einen Platz und beginne einfach, es Teil für Teil aneinander zu legen. Dann geschieht es wie von selbst, dass der kreative Prozess in Gang kommt und alles sich geradezu magisch fügt und entfaltet.
Eine andere Möglichkeit ist es, ein Mandala zu legen. Also zunächst einen Gegenstand als Mittelpunkt zu wählen und dann immer wieder kreisförmig um ihn herum andere Naturgegenstände anzuordnen. Auch eine Spirale oder andere Symbole können als Gestaltungsidee dienen.
In einer Gruppe macht es Freude, mit Stöcken einen großen in Tortenstücke unterteilten Kreis zu legen, im dem dann jede Person ein Tortenstück mit Naturmaterial gestaltet, völlig frei von weiteren Vorgaben.
Wie gelingt es Land Art mit exakt geometrischen Formen zu erstellen?
Karin: Deine Landart schaut oft so exakt geometrisch, aus, z.B. wenn du etwas in Kreisform kreierst. Du machst das aber ganz ohne irgendwelche Hilfsmittel. Wie gelingt dir das?
Luci: Ich benutze dafür tatsächlich keine Hilfsmittel. Ich glaube es ist einfach viel Übung und eine geduldige Beständigkeit, die ich beim Kreieren habe. Wenn ich einen Kreis lege, dann verbessere und verändere ich ihn viele Male, bis ich zufrieden bin. Auch einzelne Teile meiner Werke bewege ich immer wieder, zum Teil um wenige Millimeter, bis es sich für mich harmonisch anfühlt. Ich empfinde das als sehr meditativ, ich bin dann völlig absorbiert und rein im Hier und Jetzt.
Tipps zum Fotografieren von Landart
Karin: Deine Kreationen sind ja vergänglich. Ein Teil deiner Kunst ist für dich daher auch, deine Landart in Fotografien festzuhalten. Welche Tipps hast du, um die gestaltete Naturkunst schön auf Bildern einzufangen?
Luci: Tatsächlich ist das Fotografieren ein wichtiger Teil meines Prozesses. Denn wenn ich mir dafür nicht die Zeit nehme, kann mein Kunstwerk andere Menschen nicht so erreichen, wie ich es mir wünsche. Nachdem ich 1-3 Stunden gestaltet habe, kann es gut sein, dass ich noch eine Stunde oder länger fotografiere. Sich dafür ausreichend Zeit zu nehmen ist wesentlich. Mit genug Zeit, kann ich viele unterschiedliche Perspektiven, Bildausschnitte und Formate ausprobieren. Ich bewege mich um mein Kunstwerk herum, gehe näher ran, weiter weg, gehe in die Hocke oder halte die Kamera hoch über meinen Kopf. Manchmal finde ich erst nach einer halben Stunde den perfekten Winkel und Bildausschnitt oder einfach eine Perspektive, die mich überrascht.
Natürlich verändert sich auch das Licht. während ich fotografiere und ich kann so mein Kunstwerk in verschiedenen Lichtstimmungen festhalten. Ich kreiere gerne am späteren Nachmittag und bleibe dann bei meiner Kreation bis zum Sonnenuntergang, um all die schönen Stufen von magischem Licht mitzunehmen. Für mich ist es wichtig, dass meine Kamera relativ lichtstark ist, da es im Wald und am Abend oft schummrig ist. Ein paar wenige Kenntnisse über Belichtungszeiten, Tiefenschärfe und Fokus sind auch hilfreich.
Die eigene Naturverbindung stärken
Karin: Neben dem Kreieren von Naturkunst ist es dir auch ein Anliegen, andere Menschen dabei zu unterstützen, sich mit der Natur und sich selbst tiefer zu verbinden. Dazu hast du vor einiger Zeit ein Kartenset herausgebracht. Möchtest du kurz erzählen, was es damit auf sich hat?
Luci: Tatsächlich ist mein Kartenset Lebe deine wahre Natur* ein echtes Herzensprojekt, in dem ganz viel von mir und meinen Lebenserfahrungen zusammenfließt. Ich selbst erlebe meine kreativen Prozesse seit Jahren als höchst heilsam und verbindend und oft empfange ich dabei oder danach Botschaften oder Weisheiten im Spiegel der Natur. Es fühlt sich dann so an, als könnte ich die Sprache der Natur hören oder als würde mir die enge Verbindung mit der Natur ermöglichen, die in uns allen liegende angeborene Weisheit besser und tiefer zu verstehen. Meine vielen Jahre als achtsame Naturbegleiterin und meine Erfahrungen in tiefen kreativen Prozessen, haben mir gezeigt, dass wir in jedem Augenblick mit allem in diesem Universum verbunden sind.
Doch zumeist können wir diese tiefe und immerwährende Verbindung zu unserer inneren und der äußeren Natur nicht mehr richtig wahrnehmen. Wir fühlen uns getrennt und dieses Gefühl der Getrenntheit führt meiner Meinung nach zu den vielen Problemen, vor die wir heute als Menschheit und einzelnes Individuum gestellt sind. Ich möchte mit meinem Kartenset dazu einladen, sich dieser Urverbundenheit wieder bewusst zur werden und sie so wieder mit Lebendigkeit zu füllen. Meine 44 Karten mit ausgewählten Naturkunstwerken, Lebensthemen und Sinnsätzen können dabei unterstützende Impulse geben. In einem Begleitbüchlein dazu finden sich vertiefende Texte zu jeder Karte und zusätzlich Übungen, meist in der Natur, um durch echte Erfahrungen wieder mehr Verbundenheit zu spüren.
Braucht man für Landart Talent?
Karin: Zum Abschluss würde mich noch interessieren, wie du das siehst, ob man für Landart ein gewisses Talent benötigt oder, ob das jeder lernen kann?
Luci: Es ist kein Talent nötig und wir brauchen es auch nicht zu lernen. Wir können es einfach tun. Es ist eine spielerische Begegnung mit der Natur um uns herum und in uns selbst. Wenn es uns gelingt, uns von erlernten Ansprüchen und Erwartungen an uns selbst zu lösen, dann schenkt es uns einfach eine Riesenfreude und bereichert uns auf vielen Ebenen, davon bin ich überzeugt.
Karin: Herzlichen Dank für deine Zeit und die spannenden Anregungen, Luci!
Wenn du jetzt Lust bekommen hast, noch mehr von Lucis Kunstwerken zu sehen, kannst du ihr hier folgen: