Als Fotograf ist es immer fein, sein Wissen zu vertiefen. Auch als Reise- und Naturfotografen werden wir öfter gefragt, ob wir nicht ein tolles Porträt fotografieren können. Deshalb habe ich am Workshop „Licht, Zen & Bokeh“ von Tilo Gockel teilgenommen, um einige Tipps und Tricks von ihm zu lernen.
Veranstaltet wurde der Workshop im Rahmen der Heidelberger Sommerschule der Fotografie unter der Leitung des dpunkt Verlags. Die Organisation war super und auch der Veranstaltungsort im Atelier Kurus war sehr spannend: ein tolles, aussergewöhnliches Gebäude und leckere Verpflegung während des ganzen Workshops. Durch die beschränkte Teilnehmerzahl – 7 Personen – konnte auch auf einige individuelle Fragen eingegangen werden. Nach der anfänglichen Theorie, konnten wir das Wissen dann gleich mit unserem Model Caterina in die Tat umsetzen.
Welches Objektiv eignet sich für die Porträt-Fotografie?
Beim Workshop selbst habe ich größtenteils mit dem Nikkor 85mm f/1.8 Objektiv fotografiert und hier sehr oft mit der Blende 1,8. Dadurch hat man eine sehr geringe Schärfentiefe und der Hintergrund wird unscharf. Man spricht in diesem Zusammenhang auch von Bokeh. Festbrennweiten (= Objektive mit einer fixen Brennweite) haben darüber hinaus den Vorteil, dass sie eine sehr hohe Bildqualität liefern und relativ günstig sind. Geeignet sind Objektive mit einer Brennweite von ca. 50-135 mm.
Worauf muß man beim Fokussieren bei Porträts achten?
Wenn man so offenblendig fotografiert, muss man den Fokuspunkt wirklich genau setzen, da man – je nach Abstand vom Model – einen Schärfe-Bereich von einigen Millimetern bis zu 1, 2 Zentimetern hat. Fokussiert man unabsichtlich auf die Nase, sind die Augen des Models unscharf. Daher ist es bei Tier- und Menschenporträts immer wichtig zu schauen, ob der Fokus paßt und die Augen auch wirklich scharf sind.
Mir hat am Workshop auch sehr gut gefallen, dass viele Fotos ohne Blitz entstanden sind, nur mit vorhandenem Licht, das oft auch als „available light“ bezeichnet wird.
Für dieses Foto stand das Model vor einem Fenster. Durch das Fenster kam jede Menge Licht (keine direkte Sonneneinstrahlung), deshalb wurde noch ein großer Diffusor davor gestellt, der somit eine große Softbox erzeugte. Ein Diffusor macht das Licht weicher und verhindert harte Schatten. Um noch mehr Spannung in den Hintergrund zu bringen, wurde das vorhandene, beleuchtbare Kreuz aufgedreht, dass einen zusätzlichen warmen, orangen Lichtton ins Bild bringt.
Verwendete Ausrüstung: Nikon D800, Nikkor 45mm, Blende f/2,8, ISO: 800, Verschlusszeit: 1/60 Sek.
Schwarz/Weiß Entwicklung mit: Silver Efex Pro aus der Nic Suite
Wir finden, dass dieses Foto auch in Schwarz/Weiß sehr gut wirkt. Welche Variante gefällt Dir besser?
Welches Programm eignet sich für Schwarzweiß-Porträts?
Wir sind große Fans des Programms Silver Efex Pro und wandeln alle unsere Schwarzweiß-Fotos damit um. Das geht ganz einfach. Du suchst dir einfach eine der Vorlagen aus und kannst sie mit den Reglern rechts dann noch nach deinen Wünschen anpassen. Sehr gerne färben wir die Fotos dann noch mit dem Kaffee-Farbton Nr. 13 ein. Die Nic Suite von Google, in der Silver Efex Pro enthalten ist, kannst du dir hier gratis herunterladen.
Wie fotografiere ich Porträts durch Scheiben?
Bei diesem Porträt habe ich das Model einfach durch ein Fenster fotografiert. Wichtig war hier, dass die Sonne nicht direkt auf das Fenster strahlt. Das Gebäude hinter mir wurde von der Sonne beleuchtet und diente somit als großer Reflektor, der für schönes Licht gesorgt hat. Aufgrund des kleinen Balkons vor dem Fenster, mußte ich mir ein Nikkor 50mm ausborgen, weil ich mit dem 85mm sonst nur einen viel kleineren Ausschnitt hätte aufnehmen können. Herausforderung beim Fotografieren durch die Scheibe war der Autofokus. Da sich doch einige Objekte in der Scheibe spiegeln, hat die Kamera öfter falsch fokussiert. Hier speziell aufpassen und öfter kontrollieren, ob der Fokus wirklich das Auge getroffen hat. Mit dem Autofokus ist das schwierig, oft geht das mit manuell eingestelltem Fokus leichter.
Verwendete Ausrüstung:Nikon D800, Nikkor 50mm, Blende 1,8, ISO: 100, Verschlusszeit: 1/500 Sek.
Hier auch noch ein Foto, dass die Szene von der anderen Seite zeigt:
Porträt im Schatten des Heidelberger Gymnasiums
Dieses Foto beim Eingangsbereich des Heidelberger Gymnasiums, haben wir wieder im Schatten fotografiert. Die Sonne wird von der davor befindlichen Straße reflektiert und sorgt für weiches Licht. Das Geländer des Stiegenaufgangs erzeugt unscharfe Linien, die Spannung in den Bildaufbau bringen.
Verwendete Ausrüstung: Nikon D800, Nikkor 85mm*, Blende 1,8, ISO: 100, Verschlusszeit: 1/400 Sek.
Welchen Fokus nehme ich bei Porträts mit Bewegung?
Dieses Porträt wirkt vor allem in Schwarz/ Weiß sehr gut. Spannend habe ich hier gefunden, dass wir das Model direkt vor dem sehr hellen Hintergrund aufgenommen haben. Das Sonnenlicht wird von der Backsteinwand direkt auf die Lüftungsanlagen links und recht vom Model geworfen. Sie sorgen dadurch für schönes Licht beim Model und die Linien bringen den Blick zusätzlich in ihre Richtung. Fotografisch herausfordernd war hier das scharf stellen. Um Schwung ins Bild zu bringen, hat sich das Model im Kreis gedreht, deshalb musste man hier mit kontinuierlichem Autofokus arbeiten (kurz AF-C auf der Kamera). Sehr hilfreich war hier der Backbutton-Fokus. Man fokussiert hier nicht durch das Halb-Drücken auf den Auslöserknopf, sondern legt die Fokussierfunktion auf die A-On Taste, die sich auf der Rückseite der Kamera befindet. Der große Vorteil hier, es wird weiter fokussiert, auch nachdem man den Auslöser gedrückt hat.
Verwendete Ausrüstung: Nikon D800, Nikkor 85mm*, Blende 1,8, ISO: 100, Verschlusszeit: 1/320 Sek.
Schwarz/Weiß Entwicklung mit: Silver Efex Pro aus der Nic Suite
Auch hier kam kein zusätzlicher Aufheller oder Blitz zum Einsatz, wir mussten das Auto aber mehrmals umstellen, um das beste Licht für die Aufnahmen zu finden. Spannend hierbei wieder, dass das schönste Licht war, als das Auto im Schatten gestanden ist. Wir haben auch verschiedene Varianten mit offenem und geschlossenem Verdeck gemacht. Um die Situation normal wirken zu lassen, wurde das Model z.B. gebeten so zu tun, als würde es ein- oder aussteigen. Die Ausarbeitung in Schwarz/Weiß hat uns hier ebenfalls sehr gut gefallen.
Verwendete Ausrüstung: Nikon D800, Nikkor 85mm*, Blende 1,8, ISO: 100, Verschlusszeit: 1/320 Sek.
Schwarz/Weiß Entwicklung mit: Silver Efex Pro aus der Nic Suite
Teil des Porträt Workshops war das Erstellen von Nachtaufnahmen. Hier ist gleich die erste Herausforderung eine interessante Location zu finden, wo der Hintergrund etwas „hergibt“. Die folgende Aufnahme ist am Bismarck Platz in Heidelberg entstanden.
Diese Aufnahmen sind noch anspruchsvoller, da man mehr Ausrüstung und schon einiges an Know-How braucht. Zum Einsatz kamen hier 2 Systemblitze. Einen, um noch mehr Spannung in den Hintergrund zu bringen und mit dem 2. wurde mit einem kleinen Schirm das Model selbst aufgehellt. Den Weißabgleich haben wir auf Blitzlicht eingestellt. Wichtig ist, dass man zuerst ein Foto macht und sich den Hintergrund anschaut. Sobald die Helligkeit passt, schaltet man den Blitz dazu und regelt diesen von der Stärke so, dass das Model richtig ausgeleuchtet wird. Schwierigkeiten gab´s hier dann auch beim Fokussieren auf das Model, da die Lichtbedingungen für den Autofokus sehr schwierig sind. Ein Trick ist hier die Verwendung einer kleinen Taschenlampe, mit der man das Model kurz anleuchtet, damit die Kamera fokussieren kann. Bevor man auslöst, die Taschenlampe wegschwenken.
Verwendete Ausrüstung: Nikon D800, Nikkor 85mm*, Blende 1,8, ISO: 800, Verschlusszeit: 1/100 Sek.,
1 Taschenlampe, 2 Blitze inkl. Fernauslöser, 1 Fotoschirm
Am 2. Tag gab´s dann noch die Möglichkeit eines kleinen Paparazzi Style Shootings mit Tilo Gockels selbst gefertigtem Ringblitz.
Das Objektiv wird durch das Loch der Kuchenbackform gesteckt (dafür muss man die Streulichtblende abnehmen), der Funkauslöser kommt auf den Blitzschuh der Kamera und schon geht´s los. Das dadurch erzeugte Licht hat einen ganz eigenen Effekt.
Verwendete Ausrüstung: Nikon D800, Nikkor 85mm*, Blende 1,8, ISO: 100, Verschlusszeit: 1/100 Sek., 1 Systemblitz, Tilo Gockels Ringblitz:
Zusätzlich zu den oben genannten Situationen, haben wir noch ein Bokehrama fotografiert und Tipps und Tricks rund um die Bildbearbeitung, wie unscharfe Fotos retten, Mehrfach-Belichtungen, etc. bekommen.
Wer sich mit dem Thema Porträt fotografieren tiefgehender beschäftigen möchte, dem sei das Buch von Tilo Gockel Bokeh! – Fotografieren mit seidenweicher Unschärfe* aus dem dPunkt Verlag ans Herz gelegt. *Das ist ein affiliate Link. Wenn Du dieses Buch kaufst, zahlst Du den normalen Preis, wir erhalten aber ein paar Cent für die Arbeit hier auf dem Blog. Herzlichen Dank!
Mir hat’s sehr viel Spaß gemacht und ich freue mich darauf, das Gelernte auch ohne Tilos Hilfe in die Tat umzusetzen. Was sind Deine Tricks für gute Porträt-Aufnahmen?
*Dieser Artikel enthält Affiliate Links. Das bedeutet, dass du zwar keinen Cent mehr bezahlst, wir aber eine kleine Provision bekommen, wenn du über einen dieser Links etwas kaufst. Dadurch hilfst du uns, diesen Blog betreiben zu können. Herzlichen Dank, die Fotonomaden ?
2 Kommentare
find ich super, den Artikel! viele Grüße von Tilo ~gallo~
Hallo Tilo, danke, ich werd mal schauen wo ich das Gelernte mal bei uns umsetzen kann.